Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 09. Mai 2025 (Az. IX R 4/23) entschieden, dass die Rückabwicklung einer Anteilsübertragung an einer Kapitalgesellschaft wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage steuerlich auf den ursprünglichen Veräußerungszeitpunkt zurückwirken kann.
Damit bestätigt der BFH seine bisherige Linie (vgl. BFH vom 28.10.2009 – IX R 17/09) und konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen eine solche Rückwirkung auch dann greift, wenn die steuerlichen Folgen nicht ausdrücklich im Vertrag erwähnt wurden.
Sachverhalt: Anteilsübertragung zwischen Ehegatten und steuerliche Folgen
Im entschiedenen Fall hatte ein Ehemann GmbH‑Anteile auf seine Ehefrau übertragen, um im Zuge eines Ehevertrags den Zugewinnausgleich zu erfüllen. Nach damaliger steuerlicher Beratung gingen beide davon aus, dass die Übertragung keine Einkommensteuer auslösen würde.
Das Finanzamt sah das anders und behandelte den Vorgang als tauschähnlichen Veräußerungsvorgang nach § 17 EStG, was zu einer erheblichen Steuerbelastung führte.
Die Ehegatten machten daraufhin die Anteilsübertragung rückgängig – mit der Begründung, der Vertrag beruhe auf einer falschen gemeinsamen Vorstellung über die steuerlichen Folgen und sei daher wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH folgte dieser Argumentation und wies die Revision des Finanzamts zurück.
Nach Auffassung des IX. Senats liegt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor, wenn die Vertragsparteien nachweisen können, dass die steuerliche Beurteilung zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage des ursprünglichen Vertrags gehörte und sich diese Vorstellung nachträglich als falsch herausstellte.
Wichtig:
Der BFH stellte klar, dass sich diese gemeinsame Vorstellung nicht zwingend aus dem Vertragswortlaut ergeben muss.
Es genügt, wenn erkennbar ist, dass die Parteien die steuerlichen Folgen bei Vertragsschluss ausdrücklich besprochen und von einer bestimmten steuerlichen Behandlung ausgegangen sind.
Damit weicht der BFH von einer streng formalen Betrachtung ab und stärkt die wirtschaftliche Realität gegenüber der bloßen Vertragsformulierung.
Praktische Bedeutung für Unternehmer und Berater
Das Urteil ist besonders relevant für:
- Gesellschafter und Geschäftsführer, die Anteilsübertragungen innerhalb von Familiengesellschaften planen,
- Steuerberater und Notare, die steuerlich begleitende Verträge gestalten,
- Ehegatten mit Beteiligungsverhältnissen, die steuerneutral Vermögensübertragungen regeln wollen.
Die Entscheidung zeigt: Eine Rückabwicklung kann rückwirkend steuerliche Folgen korrigieren, wenn glaubhaft dargelegt wird, dass die falsche steuerliche Annahme gemeinsame Geschäftsgrundlage war.
Zugleich verdeutlicht der BFH, dass nicht jede Fehleinschätzung automatisch zur Rückwirkung führt. Entscheidend ist, dass beide Parteien objektiv nachvollziehbar vom gleichen steuerlichen Verständnis ausgegangen sind und dieses für den Vertragsschluss wesentlich war.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil unterstreicht die hohe Bedeutung einer aktiven Kommunikation mit dem Finanzamt und einer sorgfältigen Dokumentation. Unternehmen und Geschäftsführer sollten frühzeitig für Transparenz sorgen, um einer möglichen Anlaufhemmung vorzubeugen. Zudem sollten Haftungsrisiken regelmäßig überprüft werden – auch über die üblichen Fristen hinaus.
Fazit: Frühzeitige steuerliche Beratung schützt vor teuren Fehlannahmen
Das BFH‑Urteil unterstreicht einmal mehr, wie eng Zivilrecht und Steuerrecht miteinander verwoben sind. Bei Unternehmensübertragungen, Umstrukturierungen oder Eheverträgen sollte immer vorab eine fundierte steuerliche Prüfung erfolgen, um spätere Streitigkeiten und Steuernachforderungen zu vermeiden.
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